Guildo HORN & DIE ORTHOPÄDISCHEN STRÜMPFE
Deutsche Schlagerevivalfunband

Das Erfolgsrezept von Guildo HORN und seinen ORTHOPÄDISCHEN STRÜMPFEN sind allbekannte deutsche Schlager, Schnulzen und Schmonzetten, präsentiert in einer leichten Verfremdung. Diese besteht sowohl in der musikalischen Form - heulende E-Gitarren statt schmachtende Geigen - als auch im Outfit der Musiker. HORN ist keineswegs der geschniegelte brave Schwiegersohn-Typ mit herzerweichendem Augenaufschlag, sondern eher eine Manifestation des Heavy-Metal-Klischees. Der 1,90m große Hüne läßt seine langen, strähnigen Haare fliegen und stakst auch schon mal mit nacktem Bierbauch auf der Bühne umher. Auch seine Mitstreiter scheinen einem Wettbewerb für schlechten Geschmack entsprungen zu sein. Dennoch gelten sie als Kultband des deutschen Schlagers, der nach seiner Hochblüte in den 70er Jahren bestenfalls noch als Randerscheinung geduldet wurde. Lange Zeit war einheimisches Liedgut schlicht nicht mehr gefragt, doch heute ist es wieder Kult. Sogar auf etablierten Rockfestivals begeistert HORN in ausverkauften Hallen, wie beim "Rock am Ring"-Festival vor 60000 begeisterten Fans.

Guildo HORN, bürgerlich Horst Köhler, wurde am 15. Februar 1963 in Trier geboren. Aus einer Winzerfamilie stammend arbeitete Guildo in seiner Jugend auch in den elterlichen Weinbergen an Mosel, Saar und Ruwer. Darauf weist Guildo in seinem Buch "Danke" hin. Seine Bemerkung, er sei in "Grapeland" geboren und aufgewachsen, ist wohl auch eine Reminiszenz und Ehrung auf Elvis PRESLEY, für Guildo der Archetyp des Schlagersängers schlechthin. HORN schloß sein Pädagogik-Studium in Trier mit einer Diplomarbeit über "Die Befreiung von der Vernunft" ab. Dananch war er mehrere Jahre in einem Behindertenzentrum als Musik- und Theatergruppenleiter beschäftigt.
In den 80er Jahren gründete Guildo seine ORTHOPÄDISCHEN STRÜMPFE. Die Bandmitglieder rekrutieren sich aus verschiedenen Regionen: Hoppla B. Benito (b, voc) aus Südtirol, Ute und Elmar Schmitt (dr, perc) aus Saarbrücken, Sir Roland GaRoss (g, bj) aus Luxemburg, Pierre Kertzman (g, voc) aus Elsaß-Lothringen und Mihaly Szabo (keyb) aus Ungarn.
Der plötzliche Tod des Schlagersängers Roy Black im Oktober 1991 scheint ein Schlüsselerlebnis für HORN gewesen zu sein. Im Dezember veranstaltete er mit seiner Band in Trier ein sechswöchiges "Gedenkamt". Guildo gibt sich fest davon überzeugt, daß bei diesen Festlichkeiten Blacks Seele in seinen Leib übergewechselt sei. Es folgten allsonntägliche Konzertauftritte im ausverkauften Kölner Club "Luxor", die HORN zu regelrechten Schlager-Gottesdiensten ausbaute. Im Dezember 1992 kam der erste Longplayer mit dem programmatischen Titel "Rückkehr nach Mendocino" auf den Markt. Zwei Jahre später nahm "Emi Electrola" HORN unter Vertrag. Guildo avancierte zum Aushängeschild der renommierten Kölner Schallplattenfirma. Helmut Fest, Chef der EMI äußerte sich einmal gegenüber dem "Spiegel" über sein neues Zugpferd: "Wenn Guildo hustet, ist die ganze Firma erkältet."
Mit einer excellent arrangierten Coverversion des BEE GEES-Titels "How Deep Is Your Love" gelang HORN 1994 der Einbruch in die seit Jahren schlagerfreien Jugendsendungen der Hörfunkprogramme und auch in die Charts. "Ich mag Steffi" landete im August 1994 in der ZDF-Hitparade von null auf den dritten Platz, während Steffi allerdings in Wimbleton rausflog. Im März 1995 wechselten Guildo und seine ORTHOPÄDISCHEN STRÜMPFE in den Stall des erfolgreichen Schlagerproduzenten Helmuth Rüßman, der u.a. bereits altgediente und erfolgreiche Schlagerkünstler wie Andreas Martin und Wolfgang Petry betreut. Im Mai schlüpfte Guildo in die Rolle des Horntje - wie er kokettierend kundtut -, um seiner Mutti stellvertretend für alle Muttis der Welt eine Ode zu widmen. Pünktlich zum Muttertag erschien "Der Mutter zum Gruße", Horn(tje)s Widmung an alle Mütter Deutschlands. Im Juli machte Guildo mit "Who The F . . . Is Alice" (Die deutsche Originalversion), einer Coverversion des 70er Jahre Titels von SMOKIE's "Living Next Door To Alice" Furore. Dann erschien im November 1995 endlich das zweite Album "Sternstunden der Zärtlichkeit". Neben dem schon bekannten "Ich mag Steffi" und "Who The F... Is Alice" finden sich wieder gelungene Coverversionen bekannter Titel auf dem Album: Die Auskopplung "Ich find Schlager toll", eine deutsche Adaption des Joan Jett & The Blackhearts-Songs " I Love Rock'n'Roll" stieg im Januar 1996 von Null auf Platz 96 der internationalen Charts ein, der PET SHOP BOYS-Titel "Go West" wird in einer Ländlerbearbeitung präsentiert. Daneben bieten Guildo und seine Strümpfe mit dem Titel "Ich hör Bouzoukis spielen" Reminiszenzen in bester Peter Alexander Manier, Guildo gibt kokett den Roy Black Titel "Schön ist es auf der Welt zu sein" zum Besten und krönt das Album mit einer englischen Version von "Es fährt ein Zug nach Nirgendwo" von Christian Anders - heute bekannt als Lanoo - unter dem schönen Titel: "There goes a train, I don't know why". In der Advents und Weihnachtszeit tourten Guildo und die Strümpfe mit Advents- und Weihnachtsliedern durch Deutschland. Über 20000 Schlagerfreunde in Köln, Düsseldorf, Kiel, Hamburg, Frankfurt und Trier waren begeistert.
Im Januar 1996 bewarb sich Guildo offiziell beim "Grand Prix Eurovision de la Chanson 1996" mit dem Titel "Laß das Wunder Liebe sein". Es folgten Fernseh-Auftritte bei Stefan Raab in "Vivasion", "RTL Samstag Nacht" u. a., in denen Guildo sein Credo predigen konnte. "Im Schlager wird immer über die Liebe gesprochen, das wollte ich mal aktiv angehen. Bei Schlagerkonzerten lernen sich auf jeden Fall weit mehr Leute kennen als bei THE PRODIGY". Da mag er recht haben. Guildo betrachtet sich als ein Versöhner. Statt alte Evergreens immer wieder blos nachzuspielen, hat Guildo den Schlager durch seine Art der Darbietung in unsere Zeit übertragen. Für Guildo ist der Begriff "Schlager" auch sehr umfangreich. Gemeinsamer Nenner seien jedoch immer noch relativ eingängige, populäre Melodien. So seien die TOTEN HOSEN und Wolfgang PETRY durchaus vergleichbar. "Wenn man Wolfgang Petry die Stimme wegziehen würde, würde man die Toten Hosen hören. Diese sind auch total Schlager." Denn das Schöne ist, daß fast jeder fast jeden Schlager zumindest im Refrain mitsingen kann - und das verbindet. Für den Diplompädagogen HORN, der verheiratet ist und einen Sohn hat, ist der Schlager ein "moralisches und ideelles Regulativ in unserer Gesellschaft".
Auf der PopKomm im August 1997 stellte Guildo sein neues Album "Danke!" vor. Aus Sicherheitsgründen wurde kurzfristig sogar ein Konzert mit dem Retter des deutschen Schlagers abgesagt. Meister Guildo tröstete seine enttäuschten Fans mit der Ankündigung eines Gratis-Konzertes.
Mittlerweile ist HORN bei "Spin Records" unter Vertrag, einem Label des EMI-Konzerns, das bisher eher durch ausgefallene Crossover- und Dance-Produktionen in Erscheinung trat. Und auch das dritte Album von Meister HORN und seinen Strümpfen glänzt durch eine gelungene Mischung aus Rock und Romantik. Mit dem Song "Küß mich (Der Frosch aus dem Märchen)" - wieder eine Coverversion, diesmal des Sweet-Titels "Action" - ehrt Guildo den 1997 verstorbenen Sänger der Sweet, Brian Connolly. Billy Idols "Rebel Yell" kehrt als "Tanz den Horn" wieder. Der Katja Ebstein-Titel "Wunder gibt es immer wieder" wird wiedergekäut. Udo Jürgens' gleich zweimal mit "Aber bitte mit Sahne" und "Siebzehn Jahr, blondes Haar" sowie Joy Flemings Grand Prix-Eurovisionstitel von 1973 "Ein Lied kann eine Brücke sein". Auch Alt-Schlagerstar Michael Holm ist präsent. Er singt seinen Titel "Baby du bist nicht allein" mit HORN im Duett und zeichnet als Produzent des Albums verantwortlich. Ein Song nach dem Vorbild des Life-Aid-Songs "We are the world" ist "Das schönste Lied kennt Guildo Horn". In bester "Life Aid"-Manier präsentieren deutsche Schlagerstars der Vergangenheit und Gegenwart mit Guildo HORN diese deutsche Version des Joe-Cocker-Klassikers "Up where we belong": Michael Holm, Cindy und Bert, Peter Rubin, Jürgen Drews, Joy Flemming u. a. verzichteten auf ihre Einnahmen. Diese wurden dem "Förderverein für krebskranke Kinder" gespendet, der sich in Trier - Guildos Heimatstadt - um eine familiennahe Betreuung betroffener Kinder bemüht.
Nach seiner medienwirksamen Plattenpräsentation auf der PopKomm ging Guildo im September 1997 mit seiner Band auf Tournee durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Auch das Zeit-Magazin brachte eine Titelstory über das Phänomen Guildo HORN: "Roy Black ist tot, aber jetzt gibt es endlich wieder Hoffnung für den deutschen Schlager" heißt es da, und "Guildo Horn bringt die Wahrheit, große Gefühle und den Rippenpulli aus Acryl zurück. So, wie Guildo deutsches Liedgut interpretiert, macht Schlager wieder Spaß. Von Herzen und ganz tief aus dem Bauch heraus!".
HORN startete auch 1998 wieder einen Versuch, beim "Grand Prix" präsent zu sein, und am 26. Februar 1998 wurde das Wunder wahr. Guildo HORN gewann in Bremen die nationale Vorentscheidung für den "Grand Prix Eurovision de la Chanson". Mit dem Lied "Guildo hat euch lieb", geschrieben von Stefan Raab (unter dem Pseudonym Alf Igel), vertrat er mit den ORTHOPÄDISCHEN STRÜMPFEN Deutschland beim europäischen Schlagerwettbewerb am 9. Mai in Birmingham. Für diese Entscheidung sorgten erstmals nicht Juroren, sondern die Fernsehzuschauer selbst, die per TED-Umfrage ihre Stimmen über das Telefon abgaben. Und Guildo enttäuschte seine Fans nicht. Er belegte mit 86 Punkten einen anständigen 7. Platz, das zweitbeste Grand-Prix-Ergebnis für Deutschland seit 1987.
Nach dem aufreibenden Grand-Prix-Spektakel gönnte sich HORN erstmal eine wohlverdiente Verschnaufpause und war lediglich in "Giotto"-Werbefilmen im Werbefernsehen präsent. Erst im September 1999 erschien eine neue Single. "Berlin" ist bereits aus der "Giotto"-Werbung bekannt, den Videoclip drehte Guildo mit seinen ORTHOPÄDISCHEN STRÜMPFEN vor dem Brandenburger Tor. Die Longplay "Schön" kam am 18. Oktober in den Handel. Es ist ein von Guildo und der Band erstmals selbst produziertes Album. Am 8. November startete die "Schön"-Tour in Hannover und endete pünktlich vor Weihnachten am 23.12. in der Trierer Europahalle. Neben seiner Rolle als "Runde-Nussecken"-Vertilger in der Giotto-Werbung versuchte sich Guildo auch als Schauspieler im Genre Spielfilm. Am 9. Dezember war Filmstart in den bundesdeutschen Kinos für "Waschen, Schneiden Legen". Guildo mimt in dieser Komödie den Frisör Toni Schatz.
Ebenfalls im Dezember plauderte Guildo gemeinsam mit seiner Mutti Lotti in Alfred Bioleks Sendung «Boulevard Bio» und verschaffte dem Talkmeister so die höchste Quote der laufenden Staffel.HORN und seine Band absolvierten in den folgenden Monaten ein nach wie vor enormes Auftritts-Pensum in deutschen Städten, auf Festivals und im Fernsehen.
Im August 2000 war HORN in Garmisch-Partenkirchen als Zauberer in dem Musical "Der Zauberer von Oz" zu sehen, einer Inszenierung von Cordula Trantow, die neben zahlreichen prominenten Künstlern wie Evelyn Hamann oder Michael Heltau auch Guildo HORN und seine ORTHOPÄDISCHEN STRÜMPFE für das Projekt gewinnen konnte.
Im Februar 2001 trat HORN im Foyer der Hamburger Staatsoper als Lohengrin auf. Hintergrund dieses Gastspiels im Opernfach war ein politisches Geplänkel in der Hamburger Bürgerschaft. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Holger Christier warf seinem Kontrahenten, dem CDU-Spitzenmann Ole von Beust während einer Haushaltsberatung der Bürgerschaft im Dezember 2000 vor, daß eher Guildo Horn in der Staatsoper den Lohengrin singen werde, als daß von Beust die Bürgermeisterwahl gewinnen würde. Guildo vernahm diese Äußerung und machte sich – unterstützt von Hanseatischen Regionalpolitikern – daran, das Unmögliche möglich zu machen, ein humoristischer Beitrag zum Wahlkampf in Hamburg.
Im Juli 2001 spielte Guildo im Rahmen der Antikenfestspiele am Stadttheater Trier den Styx in Offenbachs Operette "Orpheus in der Unterwelt".
HORN versteht sich neuerdings auch als offizieller BaföG-Botschafter des deutschen Volkes. Bildungsministerin Edelgard Bulmahn holte sich für ihre bundesweite Bafög-Kampagne Unterstützung vom Meister. Die Kampagne – Anzeigen, Plakate und Kinospots - wirbt mit Horns Konterfei und dem Slogan "Du erreichst dein Ziel." HORN, der von sich selbst sagt, daß er ohne Bafög sein Studium in Trier nicht hätte absolvieren können, bekräftigt, daß jeder in Deutschland die Chance erhalten solle, zu studieren. Mit der 1,3 Millionen Mark teuren Kampagne will Bulmahn das Bafög wieder attraktiver und den Abiturienten neue Lust aufs Studium machen. Thematisch passend zur Bildungsmisere in Deutschland talkte Guildo am 27.Januar 2002 bei Sabine Christiansen neben Kurt Beck, Dagmar Schipanski, Hans-Olaf Henkel, Konrad Schily, Josef Kraus und Vicky Leandros zum Thema "Wieso sind wir Deutschen dümmer als andere?".
Im Mai 2002 erschien das aktuelle Album "Der König der Möwen", eine musikalische Entdeckungsfahrt, auf der uns Käpt'n HORN mit seinen ORTHOPÄDISCHEN STRÜMPFEN rund um den Globus führt. Klamaukhafter Hörgenuß, alte Seemannslieder und Shanties wie "Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern", "Junge komm bald wieder" und "What Shall We Do With The Drunken Sailor" aber auch internationale Popklassiker in neuem Gewand sind auf dem neuen Album zu hören. Da wird aus "Flying Trough The Air" von Oliver Onions "Käpt’n Horn" und aus "You Ain't Seen Nothing Yet" von Bachman Turner Overdrive: "Ich bin doch nicht zu fett". Dies alles in gewohnt mitreißenden Arrangements von dem Meister und seinen ORTHOPÄDISCHEN STRÜMPFEN vorgetragen. Diese rekrutieren sich auf dem neuen Album wie folgt: August Schrader (g), Uschi Faust (voc), Frl. Gisela Ginster (dr), Bolle Neumann (b) und Adi Mollig (keyb).

Diskografie:

Alben:
"Rückkehr nach Mendocino" (1992 ), Ariola
"Sternstunden der Zärtlichkeit" (1995), EMI
"Danke" (1997), Spin Records/EMI
"Schön" (1999), EMI
"Der König der Möwen" (2002), EMI

Best Of/Hitlist:
"Ich mag Steffi" (1994)
"Ich find Schlager toll" (1995)
"There goes a train" (1995)
"Who the f... is Alice" (1995)
"Der Mutter zum Gruße" (1995)
"Küß mich (Der Frosch aus dem Märchen)" (1997)
"Berlin" (1999)
"Kap'n Horn (Flying Through the Air) " (2002)

Literatur:
Horn, Guildo: Danke, Econ-Verlag, 1997

Internet: http://www.guildo-horn.com

(Pia Ambrosch)